Lesedauer: ca. 6min
Alleine Weihnachten feiern – ein Thema, das viele Menschen betrifft, oft jedoch aus den unterschiedlichsten Gründen. Manch einer ist vielleicht gerade umgezogen und hat noch keinen Anschluss gefunden. Andere fahren aufgrund von großen Entfernungen oder finanziellen Gründen nicht zu ihrer Familie. Eine Trennung liegt gerade hinter einem oder ein geliebter Mensch wurde verloren. Andere sind Alleinstehende oder haben sich mit ihren Liebsten verstritten, was das Fest belastend macht. Schichtarbeit oder berufliche Verpflichtungen führen dazu, dass Menschen an den Feiertagen allein sind. Weihnachten alleine zu verbringen ist oder war nicht unbedingt eine Wahl.
Das Internet bietet zahlreiche Tipps, um das Alleinsein an Weihnachten erträglicher zu machen: Sich selbst verwöhnen, eine Reise alleine unternehmen, ehrenamtlich tätig werden oder einfach die Ruhe genießen. Diese Vorschläge haben alle ihre Berechtigung. Doch oft sind sie ein Versuch, den Zustand des Unwohlseins und der Einsamkeit möglichst schnell zu überwinden. Dies kann funktionieren, aber es kann auch das Gegenteil bewirken. Besonders wenn wir feststellen, dass unsere Bemühungen das Gefühl von Einsamkeit nicht verringern und wir uns dennoch einsam fühlen.
Bevor wir uns mit einer Ablenkung beschäftigen, wäre es womöglich angebracht etwas Unkonventionelles, sogar Kontraintuitives zu tun: Einfach diesen Zustand zu erlauben. Nicht unbedingt zu akzeptieren, sondern nur für den Moment zu erlauben. „Spinnt ihr?“, denkst du jetzt vielleicht. Aber warum nicht einmal versuchen zu erlauben, was eh schon da ist? Das Problem wird nämlich erst dann groß, wenn wir Widerstand gegen etwas aufbauen – nach dem Motto: „Das soll so nicht sein, es soll anders sein.“ Und bei einem Weihnachtsfest, das man unfreiwillig alleine verbringt, ist dieser Widerstand oft noch stärker. Solch ein Fest kann sich wie eine besondere Herausforderung anfühlen, wenn Trauer oder Einsamkeit an die Oberfläche treten.
Das Gegenteil von Widerstand ist Akzeptanz, und der Zwischenschritt dahin ist die Erlaubnis. Wenn wir uns Zustände des Unwohlseins erlauben, auch wenn sie unangenehm sind, passiert etwas Paradoxes: Sie lassen nach. Es fühlt sich nicht mehr so schlimm an. Versuche es mal. Erlaube dir die Gefühle, die du zum Thema Weihnachten hast, auch wenn es Trauer und Einsamkeit sind. Das kann den Leidensdruck schon etwas senken und dir helfen, die Feiertage ruhiger zu erleben.
Damit verbunden ist eine zweite Sache, die uns hilft, souveräner mit der Situation umzugehen: Wie können wir ein Stück weit Kontrolle über die Lage zurückgewinnen, der wir uns scheinbar ausgeliefert fühlen? Wir könnten uns die Masterfrage stellen: „Angenommen, das Leben geschieht für mich und nicht gegen mich – was kann ich in dieser Situation lernen? Welche Fähigkeit kann ich mir hier aneignen? Welche Möglichkeit bietet sich mir?“
Antworten auf diese Fragen helfen, versöhnlicher mit der Situation umzugehen. Vielleicht geht es darum, auch alleine gut für sich zu sorgen. Zum Beispiel etwas Leckeres zu kochen und das Fest trotzdem schön zu gestalten. Es steht im Vordergrund, negative Gefühle besser aushalten zu lernen. Womöglich erkennst du aber auch, dass es für dich darum geht, den Kontakt trotzdem nach außen zu suchen. Ein Ehrenamt könnte hier eine Möglichkeit sein, die Einsamkeit zu verringern und eine Verbindung zu anderen Menschen herzustellen.
Was passiert, wenn du dir diese Frage stellst, bevor du in Aktionismus verfällst? Du fühlst dich der Situation weniger ausgeliefert und erkennst vielleicht, dass selbst diese Lage dir etwas zu bieten hat. Wenn schon niemand persönlich da ist, um dir Geschenke zu übergeben, dann lass dich doch vom Leben beschenken. Manchmal ist diese Zeit eine Möglichkeit, uns selbst neu kennenzulernen und die Feiertage bewusst anders zu erleben.
Die Bedeutung, unangenehme Gefühle zuzulassen, kann nicht genug betont werden. Inbesondere in Zeiten emotionaler Herausforderungen wie dem Alleinsein an Weihnachten. Es ist jedoch wichtig zu erkennen, dass dieser Prozess anfangs nicht immer einfach ist. Oft spürt man einen inneren Widerstand. Eine natürliche Reaktion, die aus dem Bedürfnis entsteht, sich vor emotionalen Schmerzen zu schützen. Indem man diesen Widerstand überwindet und sich selbst die Erlaubnis gibt, alle Gefühle – auch die unangenehmen wie Einsamkeit und Trauer – zu spüren, kann sich eine tiefgreifende Veränderung in der Art und Weise zeigen, wie man die Feiertage und die Einsamkeit erlebt.
Die Verbindung dieser Erlaubnis mit der Suche nach Antworten darauf, was man aus der Situation lernen kann, kann hilfreich sein. Dadurch kann das Gefühl der Kontrolle in einer bisher als ausweglos empfundenen Lage gestärkt werden. Und wie kannst du dir diese Erlaubnis geben? Ganz einfach: Sprich mit deinen Gefühlen, als wären sie eigenständige Personen. Du führst eh den ganzen Tag Gespräche in Gedanken mit dir selbst – warum also nicht bewusst mit deinen Gefühlen? Indem du diesen Gefühlen erlaubend gegenübertrittst und sie als Teil deines Erlebens akzeptierst, werden sie sich mit der Zeit abmildern und weniger bedrohlich erscheinen. Dieser Dialog mit deinen Emotionen eröffnet einen Weg zur Selbstakzeptanz und ermöglicht eine gesündere emotionale Verarbeitung. Die Feiertage bieten eine Gelegenheit, solche neuen Strategien auszuprobieren und inneren Frieden zu finden. Selbst wenn es anders ist, als man es sich vielleicht gewünscht hätte.
Stehst du auch dieses Jahr vor der Herausforderung, Weihnachten alleine zu verbringen und fühlst dich damit überfordert? Möchtest du mit jemandem sprechen, der dir weiterhelfen kann und dir bei der Bewältigung dieser schwierigen Zeit Unterstützung bietet? Dann registriere dich jetzt und sprich noch heute mit einem Psycholog:in über dein Anliegen. Erlebe so diese besonderen Tage vielleicht doch als eine schöne, ruhige Zeit und weniger als eine Belastung.